Eine Ärztin kann als ärztliche Leitung eines MVZ tätig werden, obschon sie ausschließlich in einer Nebenbetriebsstätte des MVZ angestellt ist. Voraussetzung ist, dass sie ihrer Gesamtverantwortung nachkommen kann und die zu überbrückende Distanz zwischen MVZ und Nebenbetriebstätte geringer als 30 Minuten ist.
Der Fall
Die Trägergesellschaft eines MVZ mit mehreren Nebenbetriebsstätten beantragte für eine Ärztin, die ausschließlich in einer der Nebenbetriebstätten des MVZ als angestellte Ärztin tätig war, die Anerkennung als Ärztliche Leitung des MVZ. Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die ärztliche Leitung eines MVZ müsse an der Hauptbetriebsstätte, dem MVZ, angestellt tätig sein, da sie nur so die vorgeschriebene Funktion ausüben könne. Dem eingelegten Widerspruch gab der Berufungsausschuss statt. Eine gegen den Beschluss des Berufungsausschusses eingelegte Klage hatte keinen Erfolg. Das SG Marburg entschied mit Urteil vom 3. Mai 2023 – S 17 KA 642/22 –, dass der Tätigkeitsort einer ärztlichen Leitung eines MVZ auch eine Nebenbetriebstätte des MVZ sein könne, sofern der Gesamtverantwortung im Einzelfall hinreichend Rechnung getragen werde.
Die Entscheidung
Mangels gesetzlicher Grundlage ergebe sich kein generelles Verbot, dass die ärztliche Leitung eines MVZ in der Hauptbetriebstätte angestellt sein müsse. Voraussetzung sei lediglich, dass von dem Standort der Nebenbetriebsstätte die vollständige und umfassende Kontrolle und Steuerung des MVZ durch die ärztliche Leitung möglich sei. Durch moderne Kommunikationsmittel sei dies in der Regel auch ohne persönliche Anwesenheit umsetzbar. In Ausnahmesituationen müsse es der ärztlichen Leitung aber möglich sein, bei Bedarf im MVZ kurzfristig präsent zu sein. Hiervon sei dann auszugeben, wenn die ärztliche Leitung jederzeit innerhalb von 30 Minuten die persönliche Anwesenheit in der Hauptbetriebsstätte gewährleisten könne. Bei den festgesetzten 30 Minuten orientiert sich das SG Marburg an der Rechtsprechung des BSG, das diese Zahl bei der erforderlichen Erreichbarkeit des Vertragsarztes bei einer belegärztlichen Tätigkeit im Krankenhaus festlegt hatte.
Ergänzender Hinweis
Die COVID-19-Pandemie hat bereits gezeigt, dass Führung auch ortsabwesend funktionieren kann. Dies gilt nunmehr auch für die ärztliche Leitung eines MVZ. Die organisatorischen Abläufe, die die ärztliche Leitung eines MVZ verantwortet, beispielsweise der Personaleinsatz, die sachlich und rechnerisch korrekte Abrechnung oder die Kontrolle des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei den ärztlichen Behandlungen, können durch moderne Kommunikationsmittel auch durch einen ärztlichen Leiter ortsunabhängig verantwortet werden.
Quelle: RAin und FAMedR Dina Gebhardt, Kanzlei am Ärztehaus, Münster/Dortmund/Hagen/Köln, www.kanzlei-am-aerztehaus.de